Qualen der Verwandlung

Unter der Leitung von Gerd Rieger führte das Impro-Orchester Missiles aus Köln sowie Musiker aus Krefeld und der Region eine von Franz Kafka inspirierte Oper auf

Es ist Musik. Das, was das Publikum im Südbahnhof am Samstagabend bei der Aufführung der ImprOper 2 – Horrortrip eines Ungeziefers – von Anfang an hört. Auch wenn das Orchester zunächst verstörend schmerzhafte Dissonanzen über die Zuhörer gießt. Schließlich entspricht das genau der Seelenlage des Helden der von Franz Kafkas „Verwandlung“ inspirierten Geschichte. So muss es sein, wenn man morgens im Panzer eines Käfers aufwacht, noch dazu auf dem Rücken und sich folglich nicht mehr rühren kann!

Während man sich beim Lesen innerlich distanzieren kann, ist man beim Hören der improvisierten Musik unmittelbar seelisch betroffen. Man fühlt was die Hauptfigur Gregor fühlt, man fühlt, was seine Familie fühlt. Die Musik transportiert die Gefühle der Harmonie, als die Familie zunächst Gregors Pflege übernimmt und sie entlarvt die Motive der Familie, die ihn schließlich loswerden will.

Den visuellen Anteil der improvisierten Oper übernehmen Videoeinspielungen. Projiziert an einen Rundbogen im Südbahnhof sieht man, wie ein auf dem Rücken liegender Käfer verzweifelt versucht wieder Fuß zu fassen, verfremdete Videosequenzen von Menschen, auf eine faltbare Wand geworfen tragen weiter zu der bedrückenden Atmosphäre bei, ein Schauspieler sitzt unbeweglich wie ein Käfer auf den Stufen, in seinem Gesicht spiegeln sich die inneren Qualen Gregors.

Weil es keine Partitur und keine Regie gibt, bestand die Vorbereitung auf die Aufführung in mehreren Workshops. Darin haben die Musiker geübt, beim Spiel aufeinander einzugehen. „So entsteht dann doch Musik und kein Krach“, sagt Gerd Rieger, der musikalische Leiter des Projekts augenzwinkernd. Der in Krefeld beheimatete Musiker und Musiktherapeut ist weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus bekannt als Theoretiker für freie Musik.

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