Rückblick: Talk im Bahnhof

EINE ZEITREISE IN DIE ÄRA ADENAUER
VON ANNE ODENDAHL

Aussöhnungspolitiker, Gründungsvater Europas und Patriarch: All das war Konrad Adenauer. Was bleibt heute noch von dem Mann, der vielen als der größte Staatsmann der deutschen Nachkriegsgeschichte gilt? Der 50. Todestag von Konrad Adenauer bietet Gelegenheit, seine Geschichte, die auch die Geschichte der Deutschen ist, zu rekonstruieren. Zu einer Reise in die Zeit Adenauers hat das Regionalbüro Rheinland am Montagabend die Gäste des „Talk im Bahnhof“ in Krefeld eingeladen. Nach einer Begrüßung durch die Leiterin des Regionalbüros Simone Habig, richtete Schirmherr Ansgar Heveling, MdB, das Wort an die Besucher. Er zitierte aus einer Rede Adenauers von 1946, in der dieser über den Wert der Menschenwürde sprach. Ein Thema, welches nach wie vor hochaktuell ist.

In den alten Gewölben im Südbahnhof entsteht eine besondere Spannung, als der Politologe Ingo Espenschied beginnt, auf Großbildleinwand die wechselhafte Geschichte Konrad Adenauers darzustellen. Dabei verbindet er seine Live-Kommentare mit unterschiedlichen Medien, die er auf die Leinwand projiziert: historische Fotos, Videos, und Animationen. Das Publikum verfolgt gebannt die politischen Schritte Adenauers von seiner Wahl zum Kölner Oberbürgermeister 1917, über den Rückzug ins Private ab 1933 bis zu seinem Amt als Präsident des Parlamentarischen Rates 1948.
Die Dokumentation zeigt klar, dass Adenauer ein Macher und Modernisierer ist. Er zieht die Fäden, hält die Staatsgeschicke in der Hand und wird mit 73 Jahren der ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Auch machtbewusst zeigt er sich. Als Bundeskanzler weiß er die Handlungsspielräume gegenüber den alliierten Besatzungsmächten im Nachkriegsdeutschland auszunutzen und zu erweitern.

So kann er in der Zeit von 1950 bis 1957 viele außenpolitische Erfolge verzeichnen, wie den Anschluss des Saarlandes oder die Unterzeichnung der Römischen Verträge. Zudem ist er sich bewusst, dass die junge Demokratie nur erfolgreich bleibt, wenn der wirtschaftliche Aufschwung mit ihr einhergeht. Unter seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard läutet Deutschland das Wirtschaftswunder ein.

Neben Licht auch Schatten
Die großen Verdienste Konrad Adenauers sind unbestritten, doch finden sich auch Widersprüche in seiner Biografie? Der „ewige Skandal“ ist bis heute die Funktion Hans Globkes, Adenauers engstem Mitarbeiter, im Nationalsozialismus. Adenauer war selbst kein Widerstandskämpfer, aber Zweifel an seiner abgrundtiefen Abneigung gegenüber den Nationalsozialisten bestehen nicht. Stets hat er sich seine politische und moralische Integrität bewahrt.

Ein Wendepunkt ist erreicht, als er – für einige zu spät – neun Tage nach Beginn des Mauerbaus 1961 in Berlin eintrifft. Er muss sich den Vorwürfen aussetzen, die deutsche Einheit nicht konsequent verfolgt, möglicherweise sogar nicht gewollt zu haben. Nach 14-jähriger Kanzlerschaft wird 1963 Ludwig Erhard sein Nachfolger.

Immer noch aktuell
Die multimediale Aufbereitung hat das Publikum sichtlich begeistert. Nach der rund einstündigen Zeitreise diskutierten Ingo Espenschied und Ansgar Heveling mit Moderator Patrick Albrecht und dem Publikum, welche Bedeutung Konrad Adenauer gehabt hat. Historiker und Geschichtslehrer Albrecht fragt, was er seinen Schülern im Unterricht über Adenauer beibringen könne. „Er hat die Grundlagen für das Deutschland von heute gelegt und sein Wirken ist hochaktuell“, antwortet Espenschied.

Was bleibt also?
Was von Konrad Adenauer bleibt, ist der Erfolg einer geglückten Demokratie in Deutschland, seine hohe Staatskunst, in der er Visionen und Handwerk zu verbinden wusste, die deutsch-französische Aussöhnung und die Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft.

Nicht zuletzt bleibt sein erhobener Zeigefinger. Er mahnt uns, Nationalismus und Populismus die Stirn zu bieten. Eine Mahnung, die aktueller nicht sein kann.

VON ANNE ODENDAHL

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