Was bisher geschah und was noch kommt, Teil 4
Hongkong, Moskau, Istanbul – in vielen Ländern ist ein offenes Dichterwort auch heutzutage riskant. Da gilt es zu entscheiden: gehen oder bleiben, schreiben oder schweigen?
Wolfgang Reinke und Dr. Ingrid Schupetta präsentierten Beispiele aus der NS-Zeit. Nicht alle Dichter waren gezwungen, Nazideutschland zu verlassen. Wer sich noch nicht dezidiert politisch geäußert hatte oder durch das Rasseraster fiel, musste sich zwangsläufig arrangieren – zwischen eigenen Ansprüchen und der Vorgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.
Das traf zum Beispiel auf die gesamte Familie Mann nicht zu. Gottfried Benns Weg verlief viel weniger eindeutig. Er liebäugelte 1933 mit einem erhofft revolutionären Gehalt der NS-Ideologie, musste aber binnen Jahresfrist einsehen, dass er sich heftig geirrt hatte. Er erhielt ab 1938 Publikationsverbot.
Weniger exponiert waren die in der Weimarer Republik bekannten Autoren Oskar Loerke, Wilhelm Lehmann und Emil Barth. Sie konnten in kleinen Auflagen veröffentlichen, griffen aber auf unverfängliche Themen zurück: die Natur oder die Antike.
Erich Kästner war der einzige Autor, der bei der Verbrennung seiner Bücher in Berlin am 10. Mai 1933 anwesend war. Er war nicht akut bedroht, konnte aber nicht Mitglied in der Reichsschrifttumskammer werden. Er arbeitete für die Filmindustrie in Babelsberg. Das Drehbuchschreiben unter Synonym wurde ebenfalls vom Propagandaministerium beobachtet. Als Seitenbemerkung zum in Krefeld stets gern gehörtem Bezug zur Stadt wurde erwähnt, das Goebbels sich vor seiner Karriere in der Politik in Krefeld bei den städtischen Bühnen beworben hatte.
Fünf Dichter, fünf Wege, aber kein germanistisches Seminar. Gewürzt wurde die Veranstaltung durch Kommentare, die nicht auf der Goldwaage gelegen haben und durch zeitgenössische Schlager.
Texter, Komponisten, Produzenten, alle unterlagen der Zensur. Und selbst der berühmte „Capri-Fischer“ durfte 1943 nicht auslaufen, weil dort inzwischen die Amerikaner gelandet waren.
Dr. Ingrid Schupetta und Wolfgang Reinke