Kunst-Projekt: Die Lust des Verschwindens – eine Flaschenpost

von Andreas Simon und René Linke
Im ersten großen Lockdown wurden Geister beschworen. Große Geister der Stadt inspirierten Tänze in abgelegenen Kellergewölben, Kinder und Jugendliche gingen mit Nachtsichtgeräten auf Geistersuche und das Publikum war beruhigt: Kunst wirkt weiter – in offenen Proben ohne Publikum – das Projekt hieß Geistertänze.

Jetzt, im zweiten großen Lockdown ist die Lage immer noch prekär, die Hygiene-Maßnahmen bleiben für die Kultur seit Monaten konstant: Künstlerisches Schaffen und seine Präsentation ist aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Die gefährlichen Kontakt-Orte der Kunst bleiben geschlossen: Auditorien, Säle, Ausstellungsräume, Bühnen etc. Auf das konkrete Erlebnis von Kunst muss aus einsichtigen pandemischen Gründen verzichtet werden. Doch Kunst kann, Kunst will nicht stillsein: Rückzug, Leerestellen, utopische Nullpunkte, Verschwinden sind nun die kulturrelevanten Keywords für einen weiteren ästhetischen Reflex auf die bittere Beschlusslage.
Es wäre der Kunst wesensfremd, wenn sich das dauernde Rückzugsgebot nicht auch in eine künstlerische Strategie übersetzen ließe. Aus diesem Grund präsentieren wir:

Komm mit mir ins Leere – ein portables Hörspiel als Flaschenpost

Erst im Verschwinden erscheint die Sache in ihrem schönsten Licht. Nichts ist gegenwärtiger als das Verschwundene, nichts erstrahlt im wärmeren Glanz als das Gewesene. Das war nicht immer so: Auch wenn beispielsweise Melvilles ‚Bartleby’, das berühmte Moby Dick-Kapitel über die Farbe Weiß oder Kafkas „Hungerkünstler“ schon frühe, meisterliche Auseinandersetzungen mit dem Phänomen des Verschwindens, der befreienden Selbstverleugnung sind, gehört doch das Verschwinden von Agamben bis Zizek zum literarischen Repertoire der Postmoderne. Die Moderne will alles in die Sichtbarkeit bringen, die Postmoderne erkennt die mühselige Anstrengung dieses Versuchs, schwelgt in Durchstreichungen und Verleugnungen. Anwesenheit und Abwesenheit verkehren sich. Die Qualität des Verschwindens, der Schmerz und die Potenz will das Hörspiel „Komm mit mir ins Leere“ einfangen – frei nach Ives Kleins Sprung aus dem Fenster.

Die Form folgt dem Inhalt. Die archetypische Präsentationsform des Verschwindens ist die Flaschenpost. Die Flaschenpost weiß nicht, wem sie wann und wo in die Hände fällt. Kunst sei inzwischen – so der Philosoph Theodor W. Adorno eine „Flaschenpost für unbekannte Finder in einer unbestimmten Zukunft“.

Projektbeteiligte Künstler:
Idee, Leitung, Text, Regie: Andreas Simon, René Linke
Assistenz Bild-Choreographie: Sabine Seume
Hörspiel-Sprecher: Laura Brinkmann, Angelo Micaela-Enghausen
Flaschenbau, Technische Leitung: Yannic Gerundt
Flaschendesign: Ludger Schneider
Sounddesign Hörspiel: Max Kotzmann

Idee:
 „Komm mit mir ins Leere“, soll Yves Klein zu seiner Frau Rotraut gesagt haben – und sprang dann vor genau 60 Jahren für sein legendäres Foto aus dem Fenster.   Den gewagten Sprung ins Leere unternimmt auch diese Flaschenpost. Keine Aufführung, keine feste Verabredung zu einer bestimmten Zeit an einem Ort ist derzeit möglich. 
Deshalb eine Flaschenpost.

Bedienung:
 Es ist wie mit gutem Wein: Überlegen Sie sich genau, wann, wo und mit wem Sie diese Flasche Kultur öffnen, sich das Hörspiel übers Verschwinden anhören wollen. Einmal geöffnet, entweicht der Geist für immer. Nur einmal ist das Hörspiel zu genießen – und verschwindet dann mit Lust.

https://andreas-simon.kunstco.de/projekte21-komm_mit_mir_ins_leere.html

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