Wo und wie geht es zur gerechten Globalisierung?
Beim 14. Grünen Salon im Südbahnhof waren Barbara Unmüßig aus dem Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und Professor Dr. Alexander Lohner, Grundsatzreferent beim katholischen Hilfswerk Misereor zu Gast. Moderiert haben Harry von Bargen vom Arbeitskreis Grüner Salon Krefeld und Iris Witt, Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung NRW.
Es wird auf jeden Fall ein Kampf, daran lässt Barbara Unmüßig keine Zweifel. Sie ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht und in deren Sinne politische Bildung betreibt. Als solche hat sie beispielsweise auch den G20 Gegengipfel mitorganisiert und ist für 33 Büros in Ländern des globalen Südens verantwortlich. Von daher weiß sie um die Ungerechtigkeit in der Welt, die bislang durch die Globalisierung nur größer wird.
Barbara Unmüßig definiert Bereiche von Gerechtigkeit
Damit diese Tatsache bei den Menschen nicht nur ohnmächtige Wut und Angst erzeugt, macht sie deutlich, dass dieser Prozess, so wie er momentan läuft, nicht Gott-gegeben, sondern politisch gesteuert – und damit gewollt ist. Deshalb ist Fatalismus unangebracht, sondern ein politisches Gegensteuern.
Um Ansätze für Aktionen für mehr Gerechtigkeit zu bieten, bricht sie den Begriff herunter auf vier Felder und verdeutlicht diese mit ein paar Schlaglichtern:
1. Verteilungsgerechtigkeit
• Jedes fünfte Kind lebt in Armut
• 40 Menschen haben in Deutschland das gleiche Geld zur Verfügung wie eine Hälfte der gesamten Gesellschaft
• Nur ein Prozent der Bevölkerung profitiert von 82 Prozent des Vermögenswachstums
2. Geschlechtergerechtigkeit
• Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen beträgt nach wie vor 30 bis 40 Prozent weltweit, in Deutschland immerhin noch 19 Prozent
• Den Löwenanteil an Sorgearbeit leisten nach wie vor Frauen unbezahlt
3. Umwelt- und Klimagerechtigkeit
• 80 Prozent der Klimaverschlechterung werden von 20 Prozent der Menschheit verantwortet
4. Generationengerechtigkeit
• Durch den exzessiven Verbrauch von Bodenschätzen und Klima leben wir heute zulasten künftiger Generationen.
Unmüßigs Forderungen für mehr Gerechtigkeit
Konsequenzen könnten beispielsweise bei einem geänderten Konsumverhalten liegen. Andererseits kann man von der Politik Regeln in den Bereichen Welthandel, Steuern und Emissionen einfordern, die anschließend durch die Ahndung von Verstößen konsequent durchgesetzt werden.
Alexander Lohner zeigt ideologische Entgleisungen auf
Professor Dr. Alexander Lohner ist als Theologe und Philosoph Grundsatzreferent beim katholischen Hilfswerk Misereor in Aachen. Er sieht Widersprüche in der herrschenden Ideologie des Wirtschaftsliberalismus zu der mehr als 2500 Jahre alten Forderung abendländischer Philosophen, dass die Wirtschaft dem Gemeinwohl dienen müsse. Die Konsequenz: Nie war die Welt so ungerecht wie heute! Gleichzeitig ergänzt er Unmüßigs Schlaglichter um konkrete Schilderung etwa der Lebensumstände der Menschen in Uganda, die in der Erzeugung von Schnittblumen beschäftigt sind und massiv unter den dort eingesetzten Giften leiden, die hier längst verboten sind.
Lohner fordert Ermächtigung der Demokratie
Er ist überzeugt, dass es nur eine Frage des guten Willens ist, die Gegenbewegung anzustoßen, weiß aber, dass dafür die Politik wieder unabhängiger von der Wirtschaft werden muss. Auf Seiten des Durchschnittsbürgers glaubt er, dass es schon hilft, wenn er die Frage nach den Machtverhältnissen stellt und seinen Lebensstil anpasst.
Gründe zur Hoffnung
Beide Referenten freuen sich über die Bereitschaft der Menschen sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Der von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebene Fleischatlas etwa hat eine Auflage von 500 000 erreicht, „der Meeresatlas 100000 Exemplare“, berichtet Barbara Unmüßig. „Außerdem bietet uns die digitale Revolution auch die Chance zu einer Universalisierung des Denkens und des Austauschs“, so Unmüßig. „So können wir unsere Ideale exportieren!“
Antworten des Publikums
Einige Menschen aus dem Publikum erzählen, wie sie einen Beitrag zu einer gerechteren Globalisierung leisten:
1. Regionale und saisonale Lebensmittel kaufen
2. Fairtrade-Produkte und Lebensmittel mit Bio-Label kaufen.
Forderungen des Publikums
1. Eindämmen von Werbung für umwelt- und sozialschädliche Produkte wie Flug- oder Schiffsreisen entsprechend dem Verbot von Tabak-Werbung.
2. Besteuerung von Flugbenzin.
3. Kennzeichnung der Produkte auch hinsichtlich ihrer Herstellung wie Arbeitsbedingungen und Umweltkosten.
Eine absolut gelungene Veranstaltung. Der Bericht gibt den Abend sehr gut wieder und es ist wirklich so, dass einen immer wieder ein Gefühl der Ohnmacht überkommt und dann doch auch der Gedanke: Besser was machen! Sich beteiligen und Gerechtigkeit einfordern!
Danke an die Mutmacher und alle Beteiligten im Publikum und auf der Bühne.