EXTREMnormal KUDDBIES Poesie unterwegs
Die Aktionen zu KUDDBIES, die wir im letzten Jahr durchgeführt haben, wurden im öffentlichen Raum im Kontakt mit Fremden in zufälligen Begegnungen durchgeführt.
Die Schwierigkeit war dabei nicht nur, andere Menschen zu ermutigen, sich auf eine unmittelbare Erfahrung einzulassen, sondern bestand auch darin, Bedingungen äußerer wie eigener Setzungen ebenso zu hinterfragen wie die eigene Motivation, die zu der Aktion geführt hat.
Was haben wir gelernt, außer dass es einfacher ist, bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen künstlerische Aktionen im Freien durchzuführen, als bei Wind, Regen und Kälte?
Grundsätzlich ist eine tolle Idee oder die Bereitschaft, sich der skeptischen Haltung zufälliger Passanten auszusetzen noch nicht ausreichend, um eine Aktion zu begründen.
Auch stellt sich direkt die Frage, welche Parameter legen wir an, um zu entscheiden, was den Erfolg einer Aktion überhaupt ausmacht?
Haben wir ein Ziel vor Augen oder verfolgen wir eine Mission? Suchen wir nach einem künstlerischen Mittel? Sind wir LehrmeisterInnen oder AlltagsforscherInnen? Sammeln wir Eindrücke und suchen selber nach dem Moment, der uns erfasst oder stellen wir uns als Spiegel und Reflektionsfläche in den Raum?
Poesie unterwegs – unsere erste Aktion – war keine künstlerische Aktion, sondern ein Angebot, sich einzulassen und dem Reiz von Poesie nachzufühlen. Sich überhaupt auf das Zuhören einzulassen und weitgehend absichtslos in dieser Haltung zu verbleiben.
Gedankliche Exkursion: Wäre die Aktion als 24stündige Dauerlesung des Spiegel oder der Bild Jahrgang 1968 zur Kunst geworden? Und in welchem Verhältnis stände eine solche Aktion zu den Madres de Plaza de Mayo („Mütter des Platzes der Mairevolution“)?
Der Name bezieht sich auf die Plaza de Mayo, den Platz vor dem Präsidentenpalast in Buenos Aires, auf dem sich die Frauen seit der Militärdiktatur trafen, um gegen das Unrecht des Verschwindenlassens zu protestieren, das ihre Familien auseinanderriss und um Aufklärung der Taten und Bestrafung der Schuldigen zu fordern. Jeden Donnerstag, erstmals am 30. April 1977, umrunden sie für eine halbe Stunde stumm den Platz, weil Proteste im Stehen seinerzeit verboten waren. Das aus Trauer und Protest getragene weiße Kopftuch der Madres wurde zum bekannten Symbol ihres Widerstands und Kampfes für Gerechtigkeit. Nélida Gómez de Navajas war eine der Initiatorinnen. (Wikipedia)
Gespräche am Rande unserer Aktion mit Menschen, die als Beobachtende verweilten, waren teils anrührend, teils philosophisch. Die einen sprachen von ihren schönen Kuschelerfahrungen beim Vorlesen oder vorgelesenbekommen.
Andere, mehr oder weniger betrübt, bemerkten niemals etwas vorgelesen bekommen zu haben: “Das ist auch nichts für mich!”
Sich “beschenken” zu lassen, war jedermanns Sache nicht. Es kann auch lästig sein und irgendwie unangebracht.
So setzten sich vorrangig vorbeikommende Frauen oder auch mal Kinder auf den ZuhörerInnenstuhl.
Gibt es eine Qualität des Zuhörens oder Lesens?
Klar, die eine liest besser als der andere und Zuhören ist eine Kunst! Aber was macht die Qualität des Momentes aus? Wie kann man ihn in der Aktion manifestieren, diesen Moment, das er anhaltend/ bedeutsam wird, sich im Gedächtnis oder Unbewussten einnistet, um gewollt oder ungewollt plötzlich erneut lebendig zu werden?
Und dann ist der Platz plötzlich wie leergefegt und man spürt die Entfernungen, die Poesie werden könnten.
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