Conduction Workshop I
Von Gerd Rieger:
UnerHÖRT im Werkhaus Krefeld am 10.04.2022 |
Dozent: Georg Wissel, Köln |
Wer zum Improvisieren zu UnerHört ins Werkhaus Krefeld kommt, möchte keine Bebop Licks lernen, keine Jazzrhythmen einstudieren, keine Harmoniewechsel üben. Wer frei und spontan spielen möchte, weiß dass es bei UnerHört um das Hören geht, auf das einfühlsame Reagieren auf Sounds im Raum und die Kommunikation mit den Mitspielern. In der „freien“ Szene gibt es seit vielen Jahren die Versuche, Improvisationen zu steuern. Wir wollen in diesem Jahr mit den Workshops „Conduction“ Erfahrungen sammeln, wie Gesten und Handzeichen Improvisationen geleitet werden können.
Für den ersten Workshop zum Start der neuen Reihe Conduction konnten wir einen außergewöhnlichen Musiker gewinnen: Es heißt Georg Wissel und ist Künstler, Lehrer und vielseitig auf dem Saxophon, das er mit Alltagsmaterialien bearbeiten und damit unerwartete Sounds hervorbringen kann. Er ist weltweit mit dem Saxophon unterwegs und kam nun auch mal zu uns in das Krefelder Werkhaus, um Krefeldern eine Einführung in kreatives Musizieren zu geben.
Daher können wir sehr froh sein, dass er die Workshop- Reihe eröffnet. Er ist einer der Dirigenten des Wuppertaler Improvisationsorchesters (WIO) und hat langjährige Erfahrung im Unterrichten des freien Spiels von Orchestern.
Der Workshop beginnt. Hören, wahrnehmen und bewusst reagieren und agieren… das sind die Themen für den Einstieg in das freie Improvisieren. Wir ließen zunächst die Instrumente beiseite und machten uns auf die Suche nach Möglichkeiten, im Raum ungewohnte lange Klänge zu suchen und sie auszuprobieren. Wandflächen, Türen, Fußboden, Stoffe, Stühle und Reißverschluss dienten als Soundquellen. Nachdem jede:r ihren/seinen Sound gefunden hatte, spielten wir mit diesen Klängen eine Improvisation. Das Sprechen über Lautstärke, Klangqualität, Dynamik und Dauer von Sounds führte zu einer weiteren Übung: Die Wahrnehmung der Stille. Jetzt nahmen wir unsere Instrumente wieder auf und versuchten die Stille im Raum mit leisen, behutsamen Sounds zu unterbrechen, bzw. eine spontane Komposition zu gestalten. Wie ungeduldig wir oft sind! Die Stille hatte beim ersten Mal keine Chance. Beim nächsten Versuch klappte das viel besser und eine schöne, meditative Improvisation entstand.
Mit den Übungen lernten wir auch etwas über die Pioniere der freien Improvisation, wie den englischen Schlagzeuger John Stevens, der in seinem 1985 veröffentlichten Musik Workshop Handbook Konzepte und Stücke zur Improvisation veröffentlichte. Seine Erfahrungen aus der dortigen Musikszene inspirierten Musiker:innen weltweit. Neue Ideen für Improvisation kamen auch aus Deutschland: durch die Suche nach Möglichkeiten der Vermittlung Neuer Musik. Lilly Friedemann hatte dazu Übungen mit einigen Kolleg:innen aus den Musikhochschulen entwickelt. Mit ihrer Methode konnte sie den musikalischen Ausdruck und die Kreativität von Musizierenden erweitern helfen. Ihre schriftlichen Arbeiten wurden durch die Erfahrungen in der Praxis mit Kindern, die mit Alltagsmaterialien improvisieren lernten, immer wieder ergänzt und erweitert.
In unserem Workshop Conduction waren die Teilnehmer:innen nach den ersten Übungen sensibilisiert, offen und motiviert für das freie Spielen in der Gruppe. Conduction versteht Georg Wissel als Ergänzung zum freien Spiel der Gruppe. Conduction ist für ihn ein Hilfsmittel, das sparsam eingesetzt den musikalischen Ablauf einer adhoc Komposition intensivieren und sie dadurch gehaltvoller machen kann. In den folgenden Improvisationen profitierten wir von den Vorübungen und die Improvisationen wurden mutiger und musikalisch abwechslungsreicher.
Georg Wissel lud uns ein, selbst das Wagnis zum Dirigat einzugehen. Das wurde eine aufregende Erfahrung und machte deutlich, wie klar die musikalische Vorstellung und die Körpersprache sein müssen, damit das Ergebnis zufriedenstellend ist.
Großer Dank an Georg Wissel, der den Teilnehmer:innen eine intensive Einführung in das Thema Conduction vermittelte. Die Zeit verging wie im Flug und wir verabschiedeten Georg Wissel dankbar, erfüllt und zufrieden. Er machte uns neugierig auf die kommenden Workshops im Werkhaus zu UnerHört.
Beim nächsten Workshop am 15.05. 22 wird die Wuppertaler Geigerin Gunda Gottschalk zu Gast in Krefeld sein und allen Interessierten die Zeichen – und Gesten- Sprache detailliert zeigen und erklären können. Also Fortsetzung folgt!
Gerd Rieger
Hier ein Link zu unserem Besuch bei Georg Wissel in Köln, 2020 https://brennpunktkrefeld.de/27531/frei4home-reisenotizen-georg-wissel/
Gefördert wird das Werkhaus-Projekt Conduction durch das
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